Mittwoch, 1. Juli 2009

Der Blick in den Himmel

Ich laufe, ich renne fast. Mein Ziel: Weg, nur weg von den Menschenmassen um mich herum. Ich will alleine sein. Ich laufe in die Garderobe und kann meine Tränen kaum zurückhalten. Leicht entsetzt sehe ich, dass eine Mitspielerin gerade dabei ist, sich umzuziehen. Ich gehe in das Abstellzimmer.
Ich fühle mich so allein, bin maßlos enttäuscht und unglaublich traurig.
Ich öffne das Fenster und bin überrascht über diesen wunderschönen Sommerabend-Himmel. Und sofort muss ich an ihn denken. Die Tränen fließen, gefolgt von den Zuckungen meines tiefen Schmerzes... Wenn er noch am Leben wäre, er wäre heute abend da gewesen. Mit Sicherheit. Er hätte mich nicht im Stich gelassen. Er hätte da gesessen, mit Stolz in seinen Augen, hätte mich auf der Bühne spielen gesehen, seine Tochter, überzeugend in der Rolle einer alten, verzweifelnden Mutter. Und nach dem Applaus wäre er direkt zu mir gekommen, hätte mich in die Arme geschlossen und mir gesagt "Das hast du gut gemacht". Und er wäre der stolzeste Daddy in der ganzen Aula gewesen...
Die Tränen auf der Bühne sind nicht versiegt, die Stimmung der alten Frau kehrt wieder in mir zurück. Ich fühle mich so unendlich mies, es ist so unfair. Warum er? Warum ich? Warum wir?
Wenn ich in den Himmel sehe, sehe ich keinen Gott... Nein, dann sehe ich das Gesicht von ihm vor mir. Salzige Tränen berühren meine Lippen...
Ich frage mich, ob ich jetzt hier weinend am Fenster stehen würde, während meine Mitspieler draußen freudig am Feiern sind mit ihren Freunden, Bekannten, Verwandten und mit ihrer Familie, wenn meine zwei Freundinnen gekommen wären. Diese zwei lieben, ca. 45- jährigen Frauen wollten doch beide kommen, nur wegen ihnen habe ich so gut gespielt. Jeder Mensch braucht doch seine Anerkenung. Und ich stand auf der Bühne und war mir jederzeit bewusst, dass da mindestens zwei liebe Menschen im Publikum sitzen, denen ich etwas beweisen möchte, die ich berühren möchte und für die ich spiele... Dachte ich.
Der Applaus versiegte, wir stellten uns an die Tür zum Verabschieden, Menschen laufen an mir vorbei. Einige, mir fremde Gesichter loben mich und werfen mir anerkennende Blicke zu. Eine Mitspielerin klopft mir auf die Schulter. "Meine Eltern waren begeistert von dir.", doch ich höre nur mit halbem Ohr hin, schenke meine volle Aufmerksamkeit der langsam bewegenden Menschenmasse, die sich aus die Tür drückt, immer auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Die Menschen werden weniger und meine Erkenntnis schleicht immer bedrohlich, immer realer in mir auf: Es wird kein bekanntes Gesicht mehr kommen, es war keiner von deinen lieben Menschen da. Du hast einzig und allein für fremde Menschen gespielt. Scheiß auf die Anerkennung derer! Meine Enttäuschung wurde von Minute zu Minute größer. Ich musste da weg. Auf dem Weg zur Garderobe...

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