Sternenbild

2005 wurde bei meinem Vater Krebs diagnostiziert. Nach vielen Untersuchungen stellte man Schilddrüsenkrebs fest, der wohl schon länger am arbeiten war und gestreut hatte. Drei Jahre auf und ab, von einem Krankenhaus ins nächste (wohlgemerkt: ohne Chemo), ein einziger Kampf und Zerfall einer Kämpfernatur... leider vergeblich. Am 2. März 2008 erlag er der Krankheit. Ein Vierteljahr vor seinem Tod wurde uns von Seiten der Ärzte bereits mitgeteilt, dass es keine Hoffnung auf Heilung mehr gibt. Sie gaben ihm noch ungefähr ein Jahr- Vier Monate danach war es schon soweit. Dass dies eine katastrophale Auswirkung auf unsere Familie hatte, muss ich eigentlich nicht erzählen. Am Schlimmsten traf es meine Mutter, die sehr viel abnahm, vergesslich wurde und in Depression verfiel. Nach einem Jahr machte sie mit großem Erfolg eine überfällige Kur.
Betrachte ich mich von damals, habe ich die Sache gefasster getragen, als es so manche Tochter tragen würde. Da meine Schwester ein paar Monate nach Dads Tod hunderte Kilometer weit weg umzog und meine Mum fast hilflos wurde, habe ich fortan die Verantwortung getragen- und ich habe sie getragen. Ich habe sie aufgefangen, sie getröstet, viel im Haushalt gemacht, eingekauft und gebügelt- die Hautpaufgaben von meinem Dad eben. Ich selber habe mich nicht bei ihr ausgeweint und habe sie somit vor einem tieferen Fall bewahren können. Mein Freundeskreis konnte nicht richtig mit mir umgehen in dieser Situation. Sie hatten Angst und zogen sich nach einem "Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid." von mir zurück. Der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden konnte, war meine jetzige beste Freundin. Ihr Vater war ein Jahr vor dem Tod meines Vaters an einem Arbeitsunfall gestorben.
Ich war in der 12. Klasse, als es passierte und rappelte mich extrem schnell wieder hoch, kam mit einem lächelnden Pokerface wieder zurück in die Schule, um es meinen Mitmenschen und somit auch mir, leichter zu machen. In der Schule konnte und wollte ich nicht trauern, zu Hause konnte und wollte ich nicht trauern, bei Freunden konnte ich nicht trauern. Ich zog mich jedes Mal, wenn ich weinen wollte, auf den Friedhof zurück, vor seinem Grab. Danach ging es mir wieder gut und das hielt bis zur nächsten Trauerphase, die sich in Weinen ausdrückte. Die Abstände dieser Trauerphasen wurden immer länger. Erst war ich nur einen Monat nicht mehr auf dem Friedhof, dann drei Monate und jetzt gar nicht mehr. Und wieso? Ich habe keinen großen Bezug zu dem Grab, keine Connection nach oben. Wenn ich trauern will, mache ich das für mich alleine aus. Mein Dad ist immer und überall bei mir. Und wenn ich ganz fest an ihn denke, dann hoffe ich, dass er in irgendeiner kosmischen Art und Weise da ist. Dafür brauche ich nicht auf den Friedhof zu gehen. Kosmisch ist ein gutes Stichwort- er war ganz der Astonomie verfallen und las in unzähligen Magazinen über Sterne, neue Planeten und Welten... ich hoffe, er weiß nun über alles kosmische Bescheid und wir sehen uns irgendwann wieder....
romeomikezulu - 24. Sep, 09:02

Es ist oft so, dass Diejenigen, die Anderen in schwerer Stunde Halt geben, aus genau dem Grund nicht zeigen (wollen/können), dass sie selbst eigentlich auch einen Halt bräuchten.

Wenn dann "das Schlimmste vorbei" gegangen ist, trifft sie das Echo dieses Zustandes umso härter, und dann versteht aber Keiner im Umfeld mehr, wieso jetzt noch, denn wie gesagt "das Schlimmste ist doch schon vorbei"...

Das ist Dir sicher auch so ähnlich gegangen - nicht umsonst wirst Du in der Formulierung
"bei Freunden konnte ich nicht trauern " das wollte weggelassen haben...
Sie konnten eben nicht richtig mit Dir umgehen in jenen Momenten, das kann nur Jemand, der das selbst einmal erlebt hat - und das wird nicht grundlos Deine jetzt beste Freundin sein.

Es sind Momente wie diese, an denen man erkennt, was Menschen für Einen sind.

Schulterklopfend winkt Dir aus seiner Kellerzelle herüber: _rain.

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